UNTERNEHMEN FAMILIE: Gut gemanagt!
Viele Familien ächzen und stöhnen unter der Last der Anforderungen, die an sie gestellt werden. Wenn dann auch noch Unvorhergesehenes passiert, bricht das Chaos aus. Weniger Perfektionismus, reduzierte Termine und mehr Nähe im Alltag bringen Entspannung und mehr Freude im Familienleben.
Chaotische Menschen haben’s schwerer im Leben? Kriegen den komplexen Familienalltag nicht so gut auf die Reihe wie ihre bestens organisierten Zeitgenossen? Good news für Chaoten: Gerade weil sie es nicht immer so genau nehmen, sind sie häufig auch flexibler und spontaner und können mit Unvorhergesehenem besser umgehen.
Im Familienleben hat das Vorteile. Da stehen Überraschungen nämlich an der Tagesordnung: Das Kind wird krank, wenn Mama ein wichtiges Meeting hat. Die Waschmaschine gibt im ungünstigsten Moment den Geist auf. Die neu gekauften Winterstiefel sind zu klein geworden, bevor es den ersten Schnee gibt. Ob chaotisch oder gut organisiert: So etwas stresst. Dass das Familienleben nicht wirklich planbar ist, sei für Familien sogar einer der größten Stressfaktoren überhaupt, sagt Autorin und Coach Cordula Nussbaum. „Man glaubt, wenn alles top organisiert ist, ist das Leben komplett stressfrei. Nur: Je kleiner die Kinder, desto weniger kann man planen.“ Letztendlich, so Nussbaum, müsse jeder die für ihn passende Form finden, die vielen Anforderungen, die das Familienleben mit sich bringt, zu meistern. „Der Systematiker hat alles gern durchgeplant. Ihm tut ein Familienkalender gut, in dem alle Routinen drinnen stehen. Den Chaoten würde so etwas noch mehr stressen. Der wird nur die Eckpunkte fixieren, damit er nicht komplett überrollt wird.“
Wer sich nicht sicher ist, welcher Typ er ist, kann auf der Webseite von Cordula Nussbaum einen Selbstcheck machen. (www.kreative-chaoten.com/selbstchecks)
Cordula Nussbaum, Autorin und Coach (www.kreative-chaoten.com)
Braucht es überhaupt Veränderung?
Wie viel Ordnung es braucht und wie minutiös der Familienalltag geplant sein soll, das sind Fragen, die jede Familie für sich zu beantworten hat. Bevor neue Routinen übernommen werden, sollte man also wissen, ob es überhaupt Bedarf an Veränderung gibt. „Leben wir tatsächlich im Chaos? Oder versuchen wir den Anforderungen gerecht zu werden, die Zeitschriften, unsere eigenen Eltern oder Freunde an uns stellen?“ Cordula Nussbaum empfiehlt, „liebevoll auf den Alltag zu schauen“ und sich nicht an den (vermeintlichen) Erwartungen anderer zu orientieren. Stellt man fest, dass zu viel Chaos herrscht und man sich deswegen oft in die Haare kriegt, sucht man nach den größten Belastungsfaktoren. „Die können sehr unterschiedlich sein. Bei dem einen ist es die Hausübung der Kinder, bei dem anderen die Bügelwäsche“, sagt Nussbaum. Dann überlegt man, wie man damit umgeht. Kann die Bügelwäsche outgesourced werden? Oder – und damit wäre das Problem von Grund auf gelöst – kann man in Zukunft nur noch bügelfreie Kleidung kaufen?
„Generation Rücksitz“
In vielen Familien sei es die Fülle an Terminen, die den Grad an Komplexität im Alltag stark erhöht. Cordula Nussbaum spricht von der „Generation Rücksitz“: Kinder, die von Mama oder Papa Nachmittag für Nachmittag zum Ballett, Klavierunterricht oder Fußballtraining gefahren werden. „Schon die Kleinsten werden von einem Kinderevent zum nächsten gebracht. Dabei brauchen Kinder viel Zeit zum gammeln, um sich mit Freunden zu treffen, um kreativ werden zu können.“ Zwei Hobbys pro Woche würden reichen, sagt Nussbaum. Die unfreiwillige Reduktion im Coronalockdown hätten viele Eltern gar nicht so negativ erlebt. „Sie haben es richtig genossen, einmal aus der Termindichte raus zu sein. Zum ersten Mal, sagen sie mir, erleben sie, was es bedeutet, Zeit zur freien Verfügung zu haben.“ Nussbaums Tipp, um nicht den Überblick über die Termine zu verlieren: Einen Familienplaner führen und ihn dort aufhängen, wo ihn jeder sehen kann.
Nicole Weiss, Bloggerin und Ordnungsexpertin (www.familieordentlich.de)
Jeder packt mit an
Wäscheberge, schmutziges Geschirr in der Küche, klebrige Fußböden: Was Familien in Sachen Haushalt stöhnen lässt, sei weniger der Zeitaufwand den es braucht, um die Bude wieder sauber zu kriegen. „Es ist die Messlatte, die zu hoch ist“, sagt Cordula Nussbaum. „Wir sind eine Familie, keine Möbelausstellung. Man darf also ruhig sehen, dass hier jemand lebt.“ Die Autorin empfiehlt, von Anfang an die Kinder in die Hausarbeit miteinzubinden. „Eltern nehmen ihren Kindern oft viel ab. Lange finden sie, dass sie noch zu klein sind. Aber irgendwann ist es dann zu spät, weil die Kinder sich in ihrer Verwöhnrolle zu sehr eingewöhnt haben.“ Der Dreijährige kann also ruhig den Tisch decken, auch wenn das möglicherweise mehr Zeit kostet und mal ein Teller dabei kaputt geht. Ganz wichtig: Dranbleiben! „Wir Mütter knicken leider schnell ein, weil es nicht gleich so hinhaut, wie wir es uns vorstellen. Wir müssen lernen, auszuhalten, dass es bei den Kindern länger dauert und vielleicht nicht so perfekt ist.“ Irgendwann profitieren Eltern dann davon, wenn jeder in der Familie seine Aufgaben übernimmt und nicht die ganze Arbeit an ihnen hängen bleibt.
Noch ein Tipp von Cordula Nussbaum: „Definieren wir Qualitätszeit um! Viele Familien versuchen alle Verpflichtungen so schnell wie möglich zu erledigen, um dann endlich Zeit für die schönen Dinge zu haben. Qualitätszeit muss aber nicht unbedingt mit einer besonderen Aktivität verbunden sein.“ Ausschlaggebend sei, dem Kind beim gemeinsamen Tun volle Aufmerksamkeit zu schenken. Und das gehe nicht nur beim Vorlesen, gemeinsamen Schneemannbauen oder beim Ausflug ins Hallenbad. „Auch die Autofahrt zum Ballet kann nett sein. Nämlich dann, wenn ich sie nicht als lästige Pflicht sehe, sondern als Gelegenheit zwanzig Minuten Zeit zum Reden mit meiner Tochter zu haben.“ So kriege man viel im Alltag unter, ohne sich zusätzliche Zeit irgendwo abringen zu müssen. Denn – das wissen Familien am besten – Zeit haben wir nicht unendlich zur Verfügung. Sie ist ein wertvolles Gut.
Familie Minimalistisch
Nicole Weiss
humboldt Verlag
Preis: 19,99
Tools und Tricks für den Familienalltag
1 Weniger Zeug – weniger Arbeit
Jedes Ding, das man besitzt, braucht ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit. Mehr Zeug bedeutet also automatisch mehr Arbeit. „Es ist gut und wichtig, dass wir all unsere Dinge organisieren. Am einfachsten ist es aber, wenn ich das aussortiere, was ich nicht brauche“, sagt die dreifache Mutter Nicole Weiss, die auf www.familieordentlich.de über Einfachheit und Minimalismus bloggt. Damit das, was bleiben darf, nicht irgendwo in der Wohnung herumliegt, bekommt es einen festen Platz, den jeder in der Familie kennt. „Es ist nämlich schwer etwas aufzuräumen, wenn ich nicht weiß, wo das Ding hingehört.“
2 Termine im Griff
Weniger ist mehr, das gilt auch bei den Familienterminen. Freie Nachmittage tun Kindern gut, unverplante Wochenenden, an denen kaum der Pyjama ausgezogen wird, sind für alle erholsam. „Was die Hobbys und Aktivitäten angeht, muss jede Familie ihren Wohlfühlpunkt finden“, sagt Nicole Weiss. Ihr hilft es, sich abends im Kalender anzuschauen, was der nächste Tag bringt. „Und es braucht natürlich Disziplin, alle Termine sofort in den Kalender einzutragen. Denn was nicht drinnen steht, findet nicht statt.“
3 Gute Gewohnheiten
Abläufe, die jeden Tag gleich sind, erleichtern den Familienalltag enorm. „Es dauert zwar eine Zeitlang, bis man sie etabliert hat, aber irgendwann laufen sie automatisch ab“, sagt Nicole Weiss. Für Weiss sind solche guten Gewohnheiten wahre Geheimwaffen. Dazu kann gehören, abends die Oberflächen in der Küche abzuwischen und den Geschirrspüler zu starten, um am nächsten Tag nicht von Geschirrbergen erschlagen zu werden. Oder morgens die Betten zu machen oder – ganz simpel – die Jacke beim Nachhausekommen an den Haken zu hängen.
4 Wir sind ein Team!
Wenn jeder in der Familie mitanpackt, ist die Unordnung schnell beseitigt. „Wir machen abends immer eine Aufräumrunde im Wohnzimmer. Die dauert nur fünf Minuten. Aber wenn fünf Leute zusammenhelfen, schaffen wir ganz viel“, erzählt Nicole Weiss. Gemeinsame Aufräumaktionen, zum Beispiel am Wochenende, können sogar Spaß machen und zeigen allen: Wir sind ein gutes Team! Grundsätzlich gilt: Kinder tun sich leichter, wenn man sie nicht alleine zum Aufräumen schickt, sondern wenn sie von ihren Eltern unterstützt werden.
Forum
Diskutieren Sie über diesen Artikel
Insgesamt 0 Beiträge