Vom Steckenpferd zur großen Aufgabe
Mit dem ersten eigenen Pferd geht für viele Kinder ein lang gehegter Traum in Erfüllung. Als Messlatte für Begeisterung und Verantwortungsgefühl sollte jedoch nicht die Anzahl der Pferdeposter im Kinderzimmer herangezogen werden.
Früher waren es „Die Mädels vom Immenhof“, heute sind es Filme wie „Ostwind“, die dazu führen, dass sich Mädchen auf der ganzen Welt Nacht für Nacht auf den Rücken eines langbeinigen Schimmels träumen. Nach dem ersten eigenen Plüschpferd folgt dann meist das Steckenpferd, mit dem im großelterlichen Garten die Übergänge von Trab zu Galopp und der ein oder andere Sprung über einen selbst aufgebaute Hindernisparcours geübt werden. Mit hochrotem Kopf wird nach Abschluss der anstrengenden Trainingseinheit dann meistens der Wunsch nach richtigen Reitstunden verkündet. Den passenden Reitstall gefunden, geht es dann – zuerst in Longestunden, später dann in Gruppeneinheiten – darum, den reiterlichen Sitz und die korrekte Hilfengebung zu erlernen. Wenn nach den ersten verbrauchten Zehnerblöcken dann endlich auch Ausritte ins Gelände anstehen und das in den oben genannten Filmen suggerierte Freiheitsgefühl auch selbst erspürt wird, gibt es meistens nur noch einen einzigen Wunsch: ein eigenes Pferd.
Das Pflegepferd als Testlauf
Um festzustellen, ob es sich beim akuten „Pferdewahn“ des eigenen Kindes nicht vielleicht doch nur um die vielzitierte „Phase“ handelt, kann ein Pflegepferd sehr hilfreich sein. Schließlich zählt der Reitsport zu den teuersten Sportarten überhaupt – und das bereits vor dem ersten eigenen Pferd. Als Pflegepferde oder Reitbeteiligungen werden Pferde oder Ponys bezeichnet, die nicht nur von ihren Besitzern bewegt und gepflegt werden, sondern auch von sogenannten „Mitreitern“ und „Mitreiterinnen“. Obwohl der Großteil der Verantwortung nach wie vor bei den Besitzern liegt, verlangen Pflegepferde auch ihren zusätzlichen Betreuern einiges an Zeit und Konsequenz ab. Während die sonntägliche Reitstunde beispielsweise auch noch kurzfristig abgesagt werden kann, sollten beim Pflegepferd alle vorab ausgemachten Termine unbedingt eingehalten werden, schließlich verlässt sich auch der Pferdehalter darauf. Ist man sich also nicht sicher, ob das notwendige Verantwortungsgefühl beim Kind bereits vorhanden ist, eignet sich ein Pflegepferd sehr gut, um genau das herauszufinden. Eventuelle Kostenbeteiligungen, Pflichten und Rechte sowie Versicherungsfragen sollten jedoch klar per Vertrag geregelt sein und alle Vereinbarungen auf jeden Fall gemeinsam mit den Eltern abgewickelt werden.
Zeit, Geld und andere Verpflichtungen
Ist man sich sicher, dass hinter den vielen Pferdebildern an den Wänden mehr steckt als nur eine vorübergehende Phase, die schon bald von der nächsten abgelöst wird, kann der Kauf des ersten eigenen Pferdes oder Ponys in vielerlei Hinsicht durchaus gewinnbringend sein: Durch die enge Verbindung, die zwischen dem Pferd und seinem jungen Besitzer entsteht, stellen sich auf reiterlicher Ebene deutlich schneller Fortschritte ein. Darüber hinaus wird das Verantwortungsbewusstsein, das am besten schon vor dem Kauf überprüft wurde, geschult – selbst wenn das hin und wieder bedeutet, auch bei Dauerregen und Sturm zum Pferd zu fahren.
Neben schwer messbaren Verpflichtungen wie Herzblut, Verantwortung und Zeit spielt natürlich auch die finanzielle Komponente eine große Rolle. Kaufpreise für gut ausgebildete Freizeitpferde können stark variieren, bei dementsprechender Ausbildung und Veranlagung befindet man sich aber schnell im fünfstelligen Bereich. Doch damit ist es noch lange nicht getan: Einstellgebühren, Beschlag, Tierarztrechnungen und mögliche Zusatzfuttermittel drücken mit 500 bis 1.000 Euro pro Monat schon ordentlich auf die Geldbörse. Darüber hinaus sollte auch nicht vergessen werden, dass regelmäßiger Reitunterricht auch mit eigenem Pferd sehr wichtig ist. Bezüglich des Ausbildungsstandards des in Frage kommenden Pferdes oder des Ponys gilt folgende Faustregel: Je unerfahrener der Reiter, desto erfahrener das Pferd. Gerade für wenig erfahrene Kinder eignen sich ruhige, erfahrene Pferde, die eine gute Grundausbildung genossen haben, deshalb am besten. Seriöse Züchter beraten hier in der Regel gut und kompetent. Von Pferdehändlern ist hingegen unbedingt Abstand zu nehmen. Ist man sich all dieser Verpflichtungen bewusst, kann aus einer vermeintlichen Phase sehr schnell eine lange, intensive Freundschaft werden, die dem Kind oder Jugendlichen über die ein oder andere Hürde des Erwachsenwerdens hinweghilft.
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