Was fasziniert Jugendliche am Mainstream-Kino?
Spider-Man", "Der Herr der Ringe" oder "The Matrix": Blockbuster sind ein wichtiger Bestandteil der Jugendkultur. Und das, obwohl sie als Mainstream-Kino bei Eltern und Erziehern, aber auch in Teilen der Medienwissenschaft verpönt sind. Eine Hemmschwelle, die es nach den Vorstellungen von Dr. Werner C. Barg von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) zu überwinden gilt
In seinem jüngst erschienenen Buch „Blockbuster Culture“ setzt sich der Professor für audiovisuelle Medien kritisch mit der Materie auseinander und liefert zugleich eine Erklärung, warum Jugendliche vom Mainstream-Kino fasziniert sind. Dafür hat er die Struktur von rund 20 Blockbuster-Filmen analysiert.
Wichtig für die Identitätsfindung junger Menschen
Um es gleich vorwegzunehmen: Von Blockbustern geht keine Gefahr für Jugendliche aus. Ganz im Gegenteil: Sie liefern eine wichtige Plattform zur Identitätsfindung und zur Reifung der Persönlichkeit junger Menschen. Vieles, das in diesen Filmen formuliert wird, ist bereits aus mythologischen Geschichten oder von historischen Heldenreisen bekannt. Dennoch: „An derartige Themen können Jugendliche hervorragend anknüpfen“, erklärt Dr. Werner C. Barg, der seit 2015 die Vertretungsprofessur für Audiovisuelle Medien an der MLU innehat. „In Blockbustern, wie Spider-Man, Der Herr der Ringe – die Gefährten, Matrix oder die Tribute von Panem – The Hunger Games, wird ihnen ermöglicht, sich mit ihrer eigenen Lebenswelt auseinanderzusetzen, mit Wünschen und Träumen zu spielen oder auch mit Rollenbildern und der eigenen Identität zu experimentieren“, so Barg.
Blockbuster vermitteln Jugendlichen ein Wertesystem
Ein Beispiel: Wenn die Hauptfigur in den Spiderman-Filmen merkt, dass sie über Superkräfte verfügt, dann sei das natürlich auch ein Identifikationsangebot für heranwachsende Jungen, so Barg. Themen wie die Ablösung von den Eltern, Freundschaft oder das Entdecken der eigenen Sexualität liefern in den Blockbustern das Grundgerüst. Positiver Nebeneffekt: Hier werden ein Wertesystem vermittelt, Gut und Böse ausgelotet, aber oft auch konservative Genderkonstruktionen vermittelt. Angst haben müsse man vor solchen Wertebildern laut Barg aber nicht, denn die Blockbuster bilden lediglich einen Teil der sehr komplexen Mediensozialisation junger Menschen.
20 Blockbuster unter der wissenschaftlichen Lupe
Werner Barg beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit dem Thema Film. Er war Medienpädagoge, Drehbuchautor und hat selbst große Filme produziert. Seit den 1990er Jahren befasst er sich auch akademisch mit Blockbustern. „Ich wollte herausfinden, worin die Faszination dieser Filme besteht.“ Konkreter Auslöser für das vorliegende Buch war eine Studie der Uni Wien zum Filmkonsum von Schülern, in der die Befragten angaben, sich überwiegend an Filmhelden zu orientieren. Diese rein empirisch gewonnene Aussage wollte Barg inhaltlich weiter unterfüttern. Und so sezierte er die Struktur von rund 20 Blockbustern aus den vergangenen Jahrzehnten. Seine Ergebnisse setzte er im Anschluss in Bezug zu Aspekten aus der Entwicklungspsychologie. Sein Ansatz: „Wenn sich so viele Menschen diese Filme anschauen, dann müssen sie irgendeinen Mehrwert besitzen.“
Anfangs, so Barg, seien Blockbuster vor allem wegen der spektakulären technischen Effekte geschaut worden. Doch spätestens rund um die Jahrtausendwende setzte eine Veränderung ein. Die Entwicklung der Figuren spielte plötzlich eine entscheidende Rolle. „Mit dem Ergebnis, dass die Konsumenten in und mit diesen Filmen ihre eigene Identität reflektieren und sich dort auch aufgehoben fühlen können“, sagt Barg.
Mit dem Erscheinen seines Buches verbindet der Medienwissenschaftler vor allem den Wunsch, dass das Potenzial von Blockbuster-Filmen auch in Ministerien und Bildungseinrichtungen stärker erkannt wird. Etwa, indem man einzelne Beispiele in den Lehrplan aufnimmt. „Im besten Fall wäre meine Arbeit ein Baustein zur Modernisierung des Medienangebots in Schulen“, resümiert Barg.
Werner Barg arbeitet indes bereits am nächsten Buch. Darin wird er sich intensiv mit Serien im Zeitalter des Streamings beschäftigen.
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