Golden Generation

Wie die Alten spielten

So haben wir als Kinder gespielt: Die Spielsachen und Spiele der Großeltern unterscheiden sich essenziell von heutigem, oft elektronischem Spielzeug. Omas und Opas zeigen ihren Enkelkindern, wie sie als Kind gespielt haben.

„Wir haben ja nichts gehabt.“ Der alte, leicht vorwurfsvolle Stoßseufzer, dass man selbst ärmlich und bescheiden aufgewachsen sei, während es dem nachgeborenen Nachwuchs ja so viel besser gehe, ist mittlerweile in die Jahre gekommen und meist bloß noch ein Gag. Für heutige Großelterngenerationen lässt sich eine entbehrungsreiche Kindheit längst nicht mehr verallgemeinern. Selbst wenn sie nicht im gegenwärtigen Überfluss aufgewachsen sind, von Spielzeug überhäuft, so verbrachten viele jüngere Omas und Opas ihre Kindheit bereits in den boomenden Wirtschaftswunderjahren. Was allerdings sehr oft sehr wohl gelten würde, wäre ein wehmütiges „Wir haben ja nichts gebraucht“. Denn zumindest in ihrer Erinnerung genügten sich heutige Großeltern in ihren Kinderjahren vielfach weitgehend selbst. Spielzeug gab es zwar, keine Frage. Doch die meiste Zeit verbrachte man kreativ spielend draußen: auf der Straße, im Wald, jedenfalls im Freien; weitgehend unbeaufsichtigt und mit sich selbst, den Geschwistern oder Gleichaltrigen beschäftigt. Dementsprechend dominieren Erinnerungen ans Gemeinsame. Wahrscheinlich kein Zufall: Alle drei Vertreterinnen bzw. Vertreter der Großelterngeneration, die von FAMILIII gebeten wurden, ihren Enkelkindern Spielzeug oder Spiele zu zeigen, die für einen selbst einstmals wichtig waren, entschieden sich nicht für materielle Spielwaren wie Plüschbären, Puppenküchen oder Modelleisenbahnen. Stattdessen scheint es den Altvorderen ein Anliegen zu sein, gewissermaßen das immaterielle Kulturerbe des Spielens weiterzugeben.

„Tempelhüpfen“ war bei Oma und Opa beliebt

Christine Lötsch (60) und ihr Mann Josef (63) hatten sich bereits entschieden, Ella (3) und Jakob (5) „Tempelhüpfen“ beizubringen: Jenes Hüpfspiel, für das Kästchen mit Zahlen in Sand geritzt oder – heute häufiger der Fall – mit Kreide auf Asphalt gemalt werden. (Online finden sich unzählige Anleitungen, teils wurde „Tempelhüpfen“ in unterschiedlichen Gegenden mit unterschiedlichen Regeln gespielt. Doch dann fiel das Tempelhüpfen ins Wasser, weil es zum Fototermin regnete. Also machten Oma und Opa, was sie auch früher schon im Mühlviertel getan haben, wenn es das Wetter nicht zuließ draußen zu spielen: Sie blieben drinnen und spielten „Stockanschlagen“. Wobei sie es kurzerhand in „Klopfen“ umbenannten, „weil die Spiele früher vom Namen her teilweise etwas brutal angehaucht waren“, wie Daniela, die Mutter von Ella und Jakob, sagt. Das Spielprinzip aber ist dasselbe geblieben: Eine Person sitzt auf einem Sessel. Die zweite Person beugt sich vor und legt den Kopf auf die Knie der ersten Person. Dahinter steht jemand aus der Gruppe dahinter und klopft der gebeugten Person auf den Po. Diese muss nun erraten, wer geklopft hat. Wurde die richtige Person enttarnt, wird gewechselt. Wird falsch geraten, bleibt die Person gebeugt – und muss den nächsten „Klopfer“ erraten. Zum Klopfen wird beispielsweise ein Kochlöffel verwendet. Ella und Jakob sind sichtlich begeistert. Vor allem, weil es ihrer Mama nicht gelingt, zu erraten, wer ihr auf den Hintern geklopft hat. Sie muss weiterraten …

Spielen ohne digitale Technik

Noch sind die Kinder in einem Alter, in dem die Eltern allzuviel Technik aus ihrem Alltag fernhalten können. Mutter Daniela ist klar, dass sich das spätestens im Schulalter ändern wird. „Wir legen schon Wert darauf, auch alte Spiele zu spielen. „Mensch ärgere dich nicht“ beispielsweise eignet sich wirklich gut, um den Kindern beizubringen, dass man auch verlieren können muss, wenn die eigenen Spielfiguren vom Gegner geschlagen werden.“ Auch wenn Tablets, Smartphones oder gar Konsolen im Leben von Jakob und Ella noch keine Rolle spielen. Digitale Gerätschaft ist für sie dennoch selbstverständlich. Hörspiele hören sie auf Spotify oder mit der Toniebox. Wenn man einmal die Woche gemeinsam einen Film ansieht, dann auf Netflix oder Disney+. „Wenn wir im Auto unterwegs sind und Radio hören, dann ist den Kindern wirklich schwer zu vermitteln, dass sie ein Lied, das ihnen gefallen hat, nicht einfach gleich nochmal hören können“, sagt ihre Mutter. „Da ist der Generationenunterschied doch merkbar.“ Auch für Sigrid Zoubek (64), sie ist achtfache Großmutter, ist die Veränderung offensichtlich. Mit dem Blink-Blink und allzuviel technischem Firlefanz kann sie selbst wenig anfangen. „Aber das ist halt unsere Zeit“, sagt die Biobäuerin. Seit sie im Vorjahr in Pension ging, hilft sie zwar immer noch am von ihr und ihrem Mann aufgebauten Biohof Adamah mit. Dennoch hat sie nun deutlich mehr Zeit für ihre Enkelkinder, die alle in Reichweite wohnen. Auch sie hatte überlegt, ihrem Enkel Raphael (5) für FAMILIII „Tempelhüpfen“ beizubringen. Dann entschied sie sich dennoch für ein Spielzeug, das sie über Jahre begeisterte: die Springschnur. „Ich schenke immer wieder Springschnüre an meine Enkelkinder“, sagt sie. Die älteren Enkeltöchter sind als angehende Teenager bereits sehr geschickt. Raphael ist anfangs noch etwas überfordert. Für die Schnur kann er sich aber durchaus begeistern. Er legt sie vor sich auf, balanciert darauf, lädt die Oma ein, es ihm gleich- zutun. „Mit den kleineren Burschen muss ich noch ein bisschen üben“, sagt sie lachend. „Allein Springschnurspringen, das geht erfahrungsgemäß erst ab 6 oder 7 Jahren. Wichtig ist dabei, dass die Länge der Schnur passt. Die Kinder sehen, dass es am Anfang gar nicht so leicht ist, obwohl es das mit ein bisschen Übung wird.“ Die Kinder von den digitalen Verlockungen der Gegenwart immer wieder abzulenken, das gelingt Großmutter Sigrid gut. „Wir haben einen Bauernhof und Tiere, da ist immer etwas zu tun. Hühner und Gänse, Schafe und Ziegen müssen schließlich gefüttert werden. Und eine meiner Enkeltöchter hat eine große Liebe zu Pflanzen.“ Damit die Spiele von gestern dereinst auch für ihre Urenkel erhalten bleiben, hat sich Sigrid Zoubek mit einer Nachbarin zusammengetan, mit der sie selbst als Kind am Dorfplatz Springschnur gesprungen ist. „Alte Spiele liegen uns am Herzen. Deshalb haben wir in einem kleinen Büchlein bereits über 60 Spiele gesammelt und beschrieben: „Wassermann, Wassermann, mit welcher Farbe dürfen wir hinüberziehen über den blauen, blauen Ozean?“ oder „Mutter, wie weit darf ich reisen?“ – das sind wunderbare Spiele, für die sich Kinder auch heute begeistern lassen. Und wahrscheinlich ist das auch in Zukunft so.“

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