Young Carers: Die unsichtbare Pflege in Österreich
In Österreich übernehmen zahlreiche junge Menschen unter 18 Jahren bedeutende Pflege- und Betreuungsaufgaben für kranke, behinderte oder anderweitig unterstützungsbedürftige Familienmitglieder. Sie sind "Young Carers". Dieser Rollentausch beeinflusst die Kindheit und Jugend stark.
Sommerzeit ist Ferienzeit. Zeit für rund 1.100.000 Schülerinnen und Schüler (Schulstatistik, Statistik Austria 2023), um Energie zu sammeln und die Seele baumeln zu lassen. Für 42.700 unter ihnen ist es jedoch auch weiterhin die Zeit, um sich um Eltern, Geschwister, Großeltern oder andere Verwandte mit körperlichen oder psychischen Erkrankungen sowie Behinderungen zu kümmern. Laut Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sind diese jungen Menschen im Durchschnitt 12,5 Jahre alt und überwiegend weiblich. Sie werden Young Carers genannt und vollbringen tagtäglich pflegerische Leistungen. „Oftmals sind sie unsichtbar, weil ihre anspruchsvollen Leistungen in der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt bleiben. Sie sehen sich selbst nicht als pflegende Angehörige und stellen dadurch ihre Kindheit in den Hintergrund“, so Petra Kozisnik, Geschäftsführerin des Landesverband Hospiz NÖ.
Kinder übernehmen erhebliche Verantwortung
Die Auswirkungen dieser Verantwortung sind erheblich, da eine Vielzahl von Aufgaben weit über die normale Mithilfe im Haushalt hinausgehen. Young Carers übernehmen unter anderem Körperpflege, medizinische Unterstützung, emotionale Begleitung bis hin zur Verwaltung von finanziellen und administrativen Angelegenheiten für ihre Angehörigen. „Das ist psychisch und physisch sehr belastend und führt zu Ängsten und Sorgen. Dazu kommen Fehlzeiten in der Schule sowie eingeschränkte Freizeitaktivitäten und soziale Isolation“, sagt Renate Hlauschek, MMSc, Geschäftsführende Vorsitzende des Vereins MOKI NÖ. Besonders schwierig ist die Situation in Familien, in denen Kinder oder Jugendliche mit schweren chronischen Erkrankungen und/oder Behinderungen leben. „In solchen Fällen werden die gesunden Geschwisterkinder oft automatisch in die Pflege miteinbezogen, weil sie in der Lage sind, Aufgaben zu übernehmen. Somit bleibt ihnen meist keine andere Wahl, da die Familie durch die intensive Pflege stark überlastet ist“, so Renate Hlauschek.
Recht auf Unterstützung
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – sie haben ein Recht auf Unterstützung, um ihr Wohlbefinden zu schützen. Es ist dringend notwendig, sie durch gezielte Maßnahmen und Hilfsangebote zu entlasten und zu fördern, um eine gesunde Balance zwischen ihren Verpflichtungen in der Sorge und Pflege von Familienangehörigen und ihrer eigenen Entwicklung zu gewährleisten.
Das Ende der Ferienzeit bedeutet für Young Carers auch den Neustart einer Mehrfachbelastung, sorgende und pflegerische Aufgaben sind mit Schul- und Lernaufgaben zu vereinen. Um das Bewusstsein für die Situation von Young Carers zu erhöhen, sind Informationskampagnen notwendig. Schulen, Kindergärten und öffentliche Einrichtungen müssen aktiv informiert und miteinbezogen werden, um Young Carers zu identifizieren und nachhaltige Unterstützung bieten zu können. „Es bedarf einer nationalen Strategie, die die spezifischen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt und gezielte Programme entwickelt, um die Lebensqualität dieser jungen Menschen zu verbessern“, fordern Petra Kozisnik und Renate Hlauschek. Die Integration von Unterstützungsmaßnahmen in Gesundheits- und Bildungsstrategien im Sinne von Health in all Policies ist ein wesentlicher Schritt, um sicherzustellen, dass Kinder und Jugendliche mit dieser Verantwortung nicht allein gelassen werden und selbst gesunde Erwachsene werden können.
Weitere Informationen: www.hospiz-noe.at, https://noe.moki.at/
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