Erziehung

Zeig mir deine Eltern und ich sag’ dir, was aus dir wird!

Alle haben ein Recht auf Bildung. So steht es im Gesetz. Doch wie sieht es mit der Gerechtigkeit aus? Haben wirklich alle die gleichen Chancen? Wird Bildungsarmut tatsächlich vererbt?

 

Ist vom Erben die Rede, denken wir zunächst an Grundstücke, Häuser oder das viel zitierte Familiensilber. Aktuellen Studien zufolge wird allerdings noch etwas vererbt: und zwar Bildung und Status. Soll heißen: welchen Schulabschluss und welche Ausbildung Kinder machen, hängt nicht nur von den jeweiligen Talenten ab. Maßgeblich ist vor allem auch der Schulabschluss der Eltern. In konkreten Zahlen sieht das so aus: Nur sieben Prozent der 25–44-Jährigen, deren Eltern nur einen Pflichtschulabschluss haben, gehen auf eine Uni. Aber 48 Prozent der Akademiker-Kinder. 17 Prozent der Kinder von Eltern mit Pflichtschulabschluss maturieren. Wenn die Eltern einen Lehrabschluss haben, sind es 29 Prozent. Wenn bereits die Eltern maturiert haben, machen auch 65 Prozent der Kinder die Matura. Bei Akademiker-Kindern sind es sogar 81 Prozent. Auch die jüngsten Berichte der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zum Thema Bildungsgerechtigkeit zeigen Faktoren auf, bei denen es in punkto Chancengerechtigkeit noch einiges zu tun gibt.

Doch was ist überhaupt Bildungsgerechtigkeit? Haben wir nicht eh generell ein hohes Bildungsniveau mit ohnedies freiem Zugang (etwa auch auf die Unis) für alle? Und wo liegen die Ursachen für allfällige Prozesse von Ungleichheit und wo soll man ansetzen, um sie zu durchbrechen?

 

Höheres Bildungsniveau – gleiche Chancen?

Insgesamt studieren zwar immer mehr Menschen und alle bekommen bessere Abschlüsse als etwa noch vor 20 Jahren. Dennoch bleibt das Verhältnis zwischen Kindern aus der Unter- und Arbeiterschicht und Kindern aus der akademischen Mittelschicht laut Experten konstant. Der deutsche Soziologe Ulrich Beck hat dieses Phänomen als „Fahrstuhl-Effekt“ bezeichnet. Gemeint ist damit, dass wir zwar generell einen Qualifikationsschub in der Gesamtbevölkerung verzeichnen. Allerdings stagniert die Bildungsungleichheit zwischen den Schichten am selben Fleck. Kurzum: Arm bleibt arm und reich bleibt reich – nur eben auf einer anderen (höheren) Ebene. Nachdem Kinder von Familien mit einem höheren Bildungsniveau nachweislich häufiger als Kinder von Familien mit einem niedrigeren Bildungsniveau von den Möglichkeiten einer „tertiären“ Ausbildung (gemeint sind höhere Ausbildungen an Universitäten oder Fachhochschulen) profitieren, gehen Forscher davon aus, dass der an sich freie Zugang zu Bildung nicht automatisch mit mehr Gerechtigkeit im Bildungssystem zu tun hat.

 

 

Von Haus aus Benachteiligte in benachteiligten Schulen

Bildungsgerechtigkeit würde bedeuten, dass Schulen und Bildungssysteme gleiche Lernmöglichkeiten für alle Schüler bieten, und zwar unabhängig von ihrem familiären Background. Tatsache ist aber laut Studien, dass Schüler aus sozial benachteiligten Familien deutlich mehr Bildungslücken aufweisen. „Die leistungsbezogenen Messungen, wie die PISA-Studien zeigen, dass 15-jährige Schüler aus bildungsfernen Familien deutliche Leistungs-Defizite gegenüber Kindern mit Eltern aus höheren Bildungsschichten haben“, weiß Bildungsexpertin Barbara Herzog-Punzenberger. Besonders benachteiligt seien Kinder aus sehr bildungsfernen Schichten, also mit Eltern ohne Pflichtschulabschluss. Auch weniger Haushaltsvermögen bedeutet meist weniger Ressourcen für Bildung innerhalb der Familie. Wobei Geld alleine laut der Expertin nicht ausschlaggebend sei. Auch ein niedriger sozioökonomischer Status trägt zur Chancenungleichheit bei und beeinträchtigt letztendlich die Leistungen der Schüler. Wieviele Bücher es also in einem Haushalt gibt oder welchen Stellenwert etwa Kunst, Kultur oder Bildung allgemein haben, seien entscheidende Faktoren. Ein wesentlicher Faktor bezüglich Chancenungleichheit sei auch die Konzentration von benachteiligten Schülern auf bestimmte Schulstandorte.

Das Unfaire dabei: Für zwei Drittel der Kinder aus stark benachteiligten Familien verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit, nicht gut lesen oder rechnen zu können, allein aufgrund der Tatsache, dass sie eine „benachteiligte Schule“ besuchen. An einem anderen Standort hätten sie deutlich bessere Chancen. Die Experten sind sich daher einig: hier ist mehr Fairness gefragt, denn Kinder können nicht weiterhin die Leidtragenden für etwas sein, wofür sie nichts können – nämlich da oder dort zur Welt gekommen zu sein, zu wohnen und zur Schule zu gehen.

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