Zuversicht ist auch ansteckend
Wie vermitteln wir Kindern auch in herausfordernden Zeiten, dass wir Krisen meistern und viel Positives daraus mitnehmen können? Wieviel Krise ist Kindern überhaupt zumutbar? Und welche Rolle spielt dabei Resilienz?
Keine Frage. Seit Corona da ist, ist unser Alltag im Ausnahmezustand. Maßnahmen zur Eindämmung belasten und erschweren den privaten wie beruflichen Alltag. Und selbst diejenigen, die von sich behaupten, dass sie nicht so leicht unterzukriegen seien, meinen nach bald acht Monaten Dauerkrise, dass dieser Zustand „etwas mit ihnen mache“. Kein Wunder. Die mit Corona verbundene Unsicherheit empfinden viele Menschen als zusehends belastend. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Allen voran jene, wie und wann das alles vorbei ist. Die schlechte Nachricht: Wir wissen es (noch) nicht. Die gute lautet jedoch: Auch diese Krise wird eine Ende haben. Um aber vom Krisen- in einen Zukunftsmodus zu kommen, braucht es laut Experten eine gehörige Portion Zuversicht. Doch woher den Mut nehmen, um unseren düsteren Gedanken genau diese Zuversicht entgegenzuhalten?
Rainer Maria Rilke aus „Über die Geduld“
Veränderung zulassen & Zuversicht vorleben
„Die Corona-Krise ist eine Geduldskrise, die die Menschen und die Gesellschaft auf den verschiedenste Ebenen total verändern wird“, sagt Matthias Horx. Der für seine durchaus optimistischen Aussagen zu Zukunftsszenarien bekannte Trendforscher benennt in seinem Buch „Die Zukunft nach Corona“ mehrere Realitäten: eine Vor- und eine Nach-Corona-Welt. Sozusagen ein altes und ein neues Normal. „Krisen bringen immer auch Bewältigungserfahrungen und jeder hat schon einmal auf gewisse Weise erlebt, dass vieles, was wir im Übergang als schwere Belastung empfunden haben, auch seine guten Seiten hatte“. Zu denken, dass es wieder so wird, wie es war, sei eher eine Art „Bequemlichkeit der Angst“, in der es sich viele Menschen einrichten. Mental- und Kommunikationstrainerin Theresia Nestlang spricht in dem Zusammenhang von einer gewissen Widerstandsenergie: Ein starres Festhalten an Gewohntem, ein Wegdrücken der Angst – in der Hoffnung, dass alles wieder so wird wie es war. Doch das könne auch laut Nestlang nicht der Weg sein, um Veränderung zuzulassen. Und speziell auch nicht die geeignete Haltung, mit der wir unseren Kindern Zuversicht vermitteln. Weil Kinder nämlich unsere versteckten Ängste spüren, egal ob wir sie zum Thema machen oder nicht. „Spätestens in Momenten der Überforderung entladen sie sich ungefiltert. Stellen Sie sich vor, Sie versuchen in einem Schwimmbecken mit Händen und Füßen irgendwelche Bälle unter Wasser zu drücken. Das geht vielleicht einige Male recht gut, doch irgendwann platzen alle Bälle zurück an die Oberfläche“, so Nestlang. Also erst wenn wir unseren Ängsten und Sorgen Raum geben, können wir daran wachsen und neue Wege einschlagen. Das wiederum habe viel mit Spüren zu tun: Wie fühlt sich mein Leben gerade an? Was brauchen wir gerade als Familie? Offenbare ich meinen Kindern meine Gefühle? Und da sei schließlich das Vorleben von zentraler Bedeutung.
Verletzlichkeit macht stark
Dass es leicht sei, in der Dauerkrise den Überblick zu bewahren und in der Familie Halt und Stabilität zu vermitteln, behauptet niemand. Resilient sein, also trotz widriger Umstände seine psychische Gesundheit zu behalten und gestärkt aus der Krise hervorzugehen – das kann man aber zum Glück lernen. Verletzlich, aber unbesiegbar. So beschrieb schon die Pionierin der Resilienzforschung Emmy Werner traumatisierte Kinder, die sich trotz schwierigen Verhältnissen zu gesunden Erwachsenen entwickelten. Von Kindern könne man sich laut Theresia Nestlang überhaupt so einiges abschauen. Erwachsene gehen nämlich grundsätzlich davon aus, dass sie perfekt funktionierende Wesen seien. „Statt unserer Verletzlichkeit Raum zu geben, setzen wir sehr hohe Ansprüche – sogar in Krisenzeiten, wo es eigentlich darum gehen sollte, Druck abzubauen“, sagt Nestlang. Gerade jetzt sei es also so wichtig, mit der Ungewissheit zu leben statt sich der Illusion hinzugeben, dass das Leben planbar sei. Den Moment anzunehmen, wie er ist. Dazu zählt zum Beispiel auch die Lust, sich darauf einzulassen, wenn die Kinder spielen wollen. Sich erlauben, vom straffen Alltagsprogramm abzuweichen, öffnet Bewegungsraum dort, wo die Angst uns in einer Starre haltet. Nicht umsonst können resiliente Menschen veränderte Bedingungen annehmen und besitzen gerade auch in schwierigen Lebensphasen das Vertrauen, das Leben aus eigener Kraft meistern zu können.
Selbstwirksamkeit & Selbstfürsorge
Wie das gehen kann? Viele Menschen ändern jetzt schon Verhaltensweisen und merken, was man trotz Krise alles schafft bzw. was auch in diesen herausfordernden Zeiten alles gut läuft. Viele spüren plötzlich besser, was sie eigentlich brauchen, was sie am meisten vermissen und womöglich sogar, dass sie dankbarer geworden sind für das, was sie haben. So wird laut Experten auch einiges, das sich in der Krise bewährt hat, bleiben. Etwa positive Aspekte der Digitalisierung in der Wirtschaft oder in den Schulen. Überhaupt mehr Flexibilität in der Arbeit. Der verstärkte Konsum regionaler Produkte oder der vermehrte Urlaub im eigenen Land. Schon jetzt ist zu beobachten, wie flexibel Familien ihren Alltag trotz der teils widrigen Umstände gestalten. Da und dort wird improvisiert und mit gutem Gewissen Risiken bewertet. Es werden neue, durchaus kreative Wege eingeschlagen und Familien scheinen – gewiss notgedrungen – mehr denn je im Hier und Jetzt zu leben, jedoch mit mehr positiven Nebeneffekten als vielleicht erwartet. Der Alltag vieler Familien wirkt entschleunigt, Menschen besinnen sich wieder auf Wesentliches. Doch eines muss dabei klar sein: Nur wer selbst stabil ist, kann Zuversicht und Halt an Kinder und andere Menschen weiter geben – Stichwort Selbstfürsorge. Entschleunigung sei hierfür der zentrale Schlüssel. „Ermöglichen wir uns ein paar Minuten Ruhe im herausfordernden Alltag, trainieren wir Ruhe und beruhigen letztlich das Familiensystem als Ganzes“, rät Theresia Nestlang. Gemeint ist vor allem ein Innehalten, Spüren und das Üben einer wertfreien, sich selbst unterstützenden Selbstwahrnehmung. Dabei gilt es einmal mehr, die schwierige Situation zu akzeptieren und nicht mit der Ungewissheit zu hadern – um gemeinsam und gestärkt in eine womöglich bessere Zukunft zu blicken.
Theresia W. Nestlang
Mental- und Kommunikationstrainerin
www.abunDANCER.at
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