Page 20 - 2005_Elternheft doppelseitig_alles
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ERZIEHUNG
In Zeiten des Ausnahmezustands Kinderbetreuung übernehmen, Haus- und Horte der Wiener Kinderfreun-
sind unsere menschlichen Bezie- aufgaben-Management schupfen und de. Die Verzweiflung vieler Eltern sei
hungen vor eine besondere Bewäh- nebenbei putzen, kochen und wenn – so hieß es zuletzt auch aus Arbei-
rungsprobe gestellt. Das Coronavirus sie Glück haben, auch noch irgendwie terkammerkreisen – zwar groß, aber
und die Maßnahmen zu dessen ihrem Brotjob in den Tagesablauf der soziale Druck eben, die Kinder
Eindämmung sorgen für große reinquetschen, ist wohl ein offenes daheim zu lassen, genauso.
Verunsicherung. Wir sorgen uns um Geheimnis. Die Möglichkeit, Kinder Kein Wunder also, dass Anspannung
unsere Gesundheit und die unserer in den Notbetrieb von Schulen und und Stress zunehmen. Ebenso Strei-
Lieben. Um unseren Job und den Kindergärten zu bringen, wurde tereien und Konflikte. Aggression
unseres Partners. Viele haben die kaum genutzt. „Die Botschaften der und Gewalt. Die Kinder sind wie so
Arbeit bereits verloren und stehen vor Bundesregierung haben die Eltern oft die Leidtragenden. Dabei sind die
der Frage, wie es nun weiter gehen sehr ernst genommen und alle Kids auch in der Ausnahmesituation
wird. Die bedrohten Existenzen, die Möglichkeiten innerfamiliärer Lösun- so, wie sie eigentlich immer sind:
Einschränkungen unserer Bewe- gen ausgeschöpft“, sagt Alexandra quitschlebendig, lustig, launisch. Sie
gungsfreiheit, wegfallende Großel- Fischer. „Manche wollen aus Sorge müssen versorgt werden, brauchen
Büro, Haushalt, Kinderbetreuung, tern sowie Betreuungsangebote und unverantwortlich zu erscheinen ihre unsere Aufmerksamkeit und unseren
Kinder nicht bringen, obwohl es
nicht zu vergessen die Ungewissheit,
emotionalen Support – möglicher-
Schule, Freizeit – alles unter wie sich alles noch weiter entwickeln daheim einen unglaublichen Kraftakt weise jetzt sogar mehr als sonst.
erfordert“, so die Pädagogische
Anja Schlagnitweit ist Leiterin eines
wird, bringt besonders Familien an
einem Dach. Die Coronakrise stellt die Grenze der Belastungen. Wir Bereichsleiterin für die Kindergärten Kinderfreunde-Kindergartens in →
besonders Familien vor enorme verbringen nun mehr Zeit – nicht
selten 24 Stunden am Tag – mitei-
Herausforderungen. Kein Wunder, nander. Oft auf engem Raum. Mit
wenig Rückzugsmöglichkeiten. Alles
dass da und dort die Nerven findet daheim statt: arbeiten, lernen,
blank liegen und guter Rat teuer Freizeit.
ist. Doch wie geht eigentlich Homeoffice mit Kindern – alles andere
als ein Kinderspiel
Krisenmanagement in den eigenen Für manche mag die Virus-Krise zu
vier Wänden? Beginn eine willkommene Gelegen-
heit zur Entschleunigung gewesen
sein. So soll es bei einigen chronisch
Text: Daniela Jasch
überlasteten Familien tatsächlich den
Aha-Effekt gegeben haben: weniger
Programm geht also auch. Die meis-
ten Familien haben sich mit tapferen
Durchhalteparolen damit getröstet,
Leben zu retten und dabei endlich
so richtig viel Zeit für die Familie zu
haben. Doch der netten Familienidyl-
le stand so einiges im Weg. Eltern
müssen Privatlehrer spielen, während
quengelnde Kindergartenkinder
Zuwendung brauchen, sich die Arbeit
am Schreibtisch türmt und es in der
Wohnung aus allen Ecken staubt.
Nicht umsonst schrieb die deutsche
„Zeit“ über den Homeoffice-Kraftakt
mit Kindern: jeder der sagt, es ließe Fotos: iStock Images
sich gut vereinbaren, ist entweder
ein Angeber oder ein Lügner. Dass
es vor allem die Frauen sind, die die
20 familiii 05 2020