Page 20 - 200708_Elternheft
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Es ist beschämend, seine Schwächen und
Ängste zu offenbaren, eine unpopuläre
Meinung zu äußern oder für etwas
einzustehen, wofür wir kritisiert oder
abgewertet werden. Über Scham will kaum
jemand reden – dabei kann dieses archaische
Gefühl ein wichtiger Kompass sein – nämlich
uns nützen und das Zusammenleben stärken.
Text: Daniela Jasch
Die falsche Jeans, der etwas breitere sozialen Stand oder weil sie krank und
Hintern, nicht am coolen Tisch sitzen, hilfsbedürftig sind. Dabei ist unsere
von anderen Kindern am Schulhof moderne Gesellschaft sicher aufge-
herabgewürdigt werden, im Bett versa-
schlossener und toleranter denn je. Und
Schämt gen, von anderen bloßgestellt oder als trotzdem stoßen wir unentwegt auf
Weichei gehänselt werden. Wer kennt
unzählige Schamgrenzen.
es nicht? Wir möchten in den Boden
„Wir leben in einer Selbstoptimierungs-
versinken, unser Herz beginnt zu rasen, kultur, dahinter steckt das permanen-
te Gefühl von Minderwertigkeit, das
Schweißperlen sammeln sich auf unse-
rer Stirn und unser Gesicht läuft rot an. Gefühl: Ich bin nicht gut genug“, sagt
der Psychotherapeut Andreas Knuf in
Wir werden peinlich berührt und alles
euch gerät außer Kontrolle, obwohl wir unse- „Die Zeit“. Insbesondere Perfektionis-
re eigenen Unzulänglichkeiten hinter
mus und die damit zusammenhängen-
der vermeintlich perfekten Fassade
de Scham sei laut dem Experten eine
große Last unserer Zeit, weil es ständig
verstecken wollten. Es schmerzt, wenn
wir spüren, dass andere uns erniedri-
darum gehe, wie wir zu sein haben
gen oder abwerten. Allein die Annahme, und was wir nicht alles zu tun hätten.
ruhig! könnten („was sollen denn die Leute sagt die renommierte Schamforscherin
dass andere schlecht über uns denken
„Scham ist nicht produktiv. Sie lähmt“,
Brené Brown. „Wer sich schämt, fühlt
denken!“), kann uns immer wieder
entmutigen und uns davon abhalten, zu
sich einfach nur schlecht, wertlos und
unserem Selbstwert zu stehen.
isoliert.“ Insofern unterscheide sich
„Ich bin nicht gut genug!“ die oftmals auch synonym verwendete
Emotion der „Schuld“ von der „Scham.“
Bin ich cool, schön, schlank, klug, So gehe es laut Brown bei der Schuld
liebenswert, leistungsfähig? Menschen darum, etwas Schlechtes getan zu
schämen sich, weil sie beruflich schei- haben, während Scham gleichzusetzen
tern, weil die Familie nicht dem Ideal sei mit: „Ich bin schlecht.“ Nicht zu
verwechseln übrigens mit Verlegenheit,
Foto: iStock Images so toll ist wie das der Freunde. Die die meist ebenso rasch verfliegt wie das
entspricht. Das eigene Zuhause nicht
Nachbarskinder einen größeren Garten
Erröten der Wangen. Und zwar deshalb,
und coolere Eltern haben. Menschen
über etwas vergleichbar Peinliches
schämen sich über ihre Herkunft, ihren „weil wir wissen, dass auch dem Gegen- →
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